Du bist allein auf hoher See. Unendliche Verzweiflung packt dich. Dein Boot ist nachts im Sturm gekentert und untergegangen. Mit Mühe und Not hast du dich bis jetzt im wärmenden Neoprenanzug über Wasser gehalten. Hast dich vielleicht an einen dieser alten Rettungsringe geklammert, der allmählich zu zerbröseln droht. Billigware aus Fernost, nicht für Salzwasser geeignet. Andere Überlebende, wenn es sie gab, sind nicht mehr zu sehen. Fischfutter. Was tun? Du bist längst abgetrieben. Hier abseits aller bekannten Tauchregionen und Schifffahrtsrouten würde euer Boot sowieso niemand suchen.
Du fürchtest dich natürlich nicht vor Haien oder der dunklen Tiefe unter dir. Das macht dir nichts. Schwimmen kannst du auch gut. Früher warst du sogar mal Rettungsschwimmer. Ist zwar eine Weile her, und von deiner Bestform bist du weit entfernt, aber es könnte noch reichen. Das Problem: Selbst wenn du es versuchst, du kannst das Ufer nicht sehen. Du weißt nicht, in welche Richtung du schwimmen musst. Welchen Sinn hat es, ins Ungewisse loszuschwimmen?
Plötzlich siehst du einen dunklen Punkt am Horizont, der allmählich größer wird. Ein hochseetaugliches Schlauchboot nähert sich, so eines, wie es manchmal als Rettungsboot oder für Spezialeinsätze verwendet wird. Man hat offenbar deine Hilferufe und dein Winken bemerkt und hält auf dich zu. Als das Boot in Sichtweite ist, siehst du eine Szene, die dir das Herz stocken lässt: Im Boot sitzen drei Kannibalen, die gerade einen frischen Körper zerteilen. Einer hat einen abgetrennten Unterschenkel in der Hand, der menschliche Fuß ist deutlich zu erkennen. Und dann der abgetrennte Kopf dort am Bug, nein, zu schockierend ….
Die Männer haben blutverschmierte Gesichter, aber leuchtende Augen. Lächeln dich freundlich an. Sie bieten dir Hilfe an und versprechen, dich ans rettende Ufer bringen. Du könntest zu ihnen ins Boot klettern. Vielleicht sind es auch Ärzte. Oder sie sind schon satt. Und wenn nicht, man kann doch über alles reden oder etwas aushandeln.
Natürlich könntest du auch ablehnen und schwimmen …
ich wieder.finds echt gut hier!und auch auf deiner blog-seite. kann aber nichts davon abonnieren, ja, hab mich bis vor ein paar tagen aus dieser virtuellen welt rausgehalten. wenn du mir da mal mit dem zaun winken könntest?
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Dank dir für dein Feedback! 🙂 Freut mich sehr, wenn es dir gefällt bzw. einige dieser Texte auch deinen Geschmack treffen.
Das Abonnieren (als RSS-Feed) müsste theoretisch (und praktisch auch problemlos) klappen, wenn du z.B. auf „Beitrags-Feed“ (hier an der Seite unter „Krimskram“ abgelegt) klickst und dann im nächsten Fenster oben auf „Jetzt abonnieren“ klickst.
Drüben im Schreibnix-Blog habe ich ganz unten eine Schaltfläche eingefügt (Schreibnix abonnieren) – darüber müsste auch ein Feed im Atom-Format abrufbar sein.
Na ja, ich selbst nutze RSS-Feeds gar nicht und arbeite nur mit Links oder Favoriten.
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perfekt,zaun gefunden, baum gefällt.also,ich bin jetzt ein fan und follower,danke 😉
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Ich lese da zwischen den Zeilen die aktuelle Zeit. Kannibalen als Metapher. Ich sollte weniger denken.
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Jede Deutung ist für mich okay, Dark Lord. 😉 Diese allegorische (oder gleichnishafte) Erzählung ist nach einem privaten Streitgespräch am letzten Wochenende entstanden. Implizit sind ja einige Fragestellungen (philosophischer Art) verborgen, d. h. könnte man vielleicht so deuten. Aber andererseits: Vielleicht hab ich nur eines dieser verstörenden Traumbilder beschrieben, an die ich mich manchmal nach dem Aufwachen erinnere.
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Traumbilder deuten? Was soll ich denn dann schreiben? Ahh, Moment, hab was. Morgen! 🙂
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Entweder man schwimmt oder stirbt erniedrigt und entwürdigt. Oder man schwimmt und stirbt trotzdem später im freien Wasser (vielleicht auch nicht). Oder man schwimmt nicht und stirbt trotzdem. Schwimmen ist besser als Schlauchboot fahren.
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„Schwimmen ist besser als Schlauchboot fahren.“
Gesünder ist es allemal.
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