Die Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen

Hier erläutert jemand auf der Achse des Guten, wie und warum er sich diese m. E. auch nützliche Technik in den letzten Jahren angeeignet hat. Er schreibt, dass er insbesondere bei Gewaltverbrechen dazu übergegangen ist, zwischen den Zeilen zu lesen, um die eigentliche Botschaft einer Meldung bzw. eines Artikels zu entschlüsseln. Vom Osten lernen, heißt überleben lernen, könnte man kalauern. Ich hatte ja auch schon mal erwähnt, dass man früher auch automatisch zwischen den Zeilen gelesen (und ggf. auch geschrieben hat), bis es einem in Fleisch und Blut überging. Hatte irgendwann hier auch einige Anmerkungen dazu notiert, dann aber das Interesse am Thema verloren. In der Rückbesinnung auf die DDR fällt mir ein, dass es damals in erster Linie eigentlich darum ging, Phrasen und ideologisches Geschwätz oder irgendwelche Jubelmeldungen aus der sozialistischen Produktion zu überlesen oder auszublenden. Heute geht es beim Entschlüsseln des Subtextes (nicht zwischen, sondern hinter den Zeilen) eher darum, sich Fakten wie z. B. die Herkunft und Motive von Gewalttätern und Terroristen bewusst zu machen, die mittels sprachlicher Codes verschleiert werden sollen.
Noch ein nachträgliches Beispiel:

In der DDR-Presse wurde einst vor einem Staatsbesuch des sowjetischen Parteichefs eine Verlautbarung darüber veröffentlicht, dass der Generalsekretär der KPdSU usw. (mit allen weiteren Bezeichnungen seiner Titel und Posten) die sozialistische Volksrepublik Kommunistan (vergessen, welcher Staat es war) besuchen wird. War jedenfalls irgendwann in den 80ern.
Ziel sei u. a. die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zum sozialistischen Brudervolk und der Abschluss eines Vertrags über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit. Solche Meldungen waren ja so staubtrocken, dass sie eigentlich niemand freiwillig las. Eine Woche später, nach dem Besuch wurde dann in einer Pressemitteilung oder einem Artikel der Parteipresse beiläufig erwähnt, dass ein Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit abgeschlossen wurde. Man würde enge partnerschaftliche Beziehungen anstreben usw. Von gegenseitigem Beistand war aber keine Rede mehr, das hatte man aus dem Vertrag einfach weggelassen, d. h. man konnte sich zusammenreimen, dass die Sowjetunion letztlich nach wahrscheinlich hitzigen Verhandlungen keine militärische Beistandsverpflichtung gegenüber diesem (befreundeten) Land abgeben wollte, da man die Risiken eines militärischen Eingreifens (verständlicherweise nach den Afghanistan-Erfahrungen) scheute bzw. unter allen Umständen vermeiden wollte. Das, was fehlte, war interessant. Solche Botschaften blieben unkommentiert (oder unbemerkt), hätte man aber bei Interesse zwischen den Zeilen herauslesen können.

16 Gedanken zu “Die Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen

  1. FDominicus 30. März 2017 / 12:28

    Alte Empfehlung von mir: http://www.q-software-solutions.de/blog/2014/05/grundkurs-bilanz/

    Dazu auch: Doppelsprech: http://www.q-software-solutions.de/blog/2016/11/wer-haette-das-gedacht/ Ich gebe es zu, ich spame Sie zu (https://www.q-software-solutions.de/blog/2014/11/25-11-2014-gg-%c2%a73-a-3/)

    Habe das nur immer und immer wieder thematisiert und es ärgert mich ohne Ende, das so viel von dem zutraf / zutrieft. Es ist wie in einer Endlosschleife.

    Warnnung und Bewertung, daß die Politiker Mist machen -> Zeit geht ins’s Land -> Politiker machen Mist und dann sind wir wieder am Anfang.

    Immer und immer wieder, so gut wie immer in Richtung schlimmer. Ich bin es so leid (IBESL)

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    • Max 30. März 2017 / 13:43

      Ja, ich eigentlich auch. Im Grunde auch müßig, drauf hinzuweisen oder festzustellen, dass bzw. inwieweit sich pessimistische Prognosen bewahrheitet haben und sich weiter bewahrheiten. Ich schreibe ohnehin zum großen Teil hier nur für mich, um meine Selbstachtung in einer neuerlichen Duckmäuser-Gesellschaft (darf man das so sagen, oder fällt das unter Hatespeech?) nicht gänzlich zu verlieren. Solange man noch schreiben darf, soll man schreiben, was man verantworten kann, meine ich.

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      • FDominicus 30. März 2017 / 13:42

        Leider IMHO eine sehr traurige Sache. Aber so bezeichnend…

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  2. Max 30. März 2017 / 13:50

    Früher in der DDR bekamen wir an der Uni und von der Partei ähnliche Heftchen, Handzettel und Argumentationshilfen, in denen die imperialistische Welt des Klassenfeindes und dessen falsche Sichtweise erklärt wurde…
    Betreutes Denken. Wieder en vogue! Die meisten Menschen sind ja auch eher denkfaul und gleichgültig/konformistisch, bzw. na ja, die „mürrische Indifferenz“ (Münkler) hatte man damals in der DDR also schon verinnerlicht …

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    • Max 30. März 2017 / 15:25

      Oh ja, das hatte ich auch mitbekommen. 😦 Übel, speiübel überkam es mich, als ich das las. Wollte ich lieber nicht kommentieren, weil ich es anfangs nicht glauben konnte, also für Fake gehalten hatte …
      Wie läuft es denn eigentlich bei der PDV?

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      • FDominicus 31. März 2017 / 5:20

        Ich bin nicht für’s drum herum reden: schlecht
        Die Deutschen wollen keinen Liberalismus. Sie wollen den Staat der von der Wiege bis zur Bahre „das sein soll“. Sehen Sie sich die Wahl im Saarland an. CDU, Groko. Was soll sich da ändern? Und tja wohin es gehen wird habe ich heute noch an Hand von Venezuela festgehalten: http://www.q-software-solutions.de/blog/2017/03/die-maske-des-sozialismus-des-21-jahrhundert-ist-gefallen/

        Zum Liberalismus generell kann ich dem nicht hinzufügen: https://www.q-software-solutions.de/blog/2016/10/liberale-abwaertspirale/ Und nein damit möchte ich Sie nicht zuspammen nur zeigen wie schlimm die Lage hier in D schon ist und wohin wir mit Riesenschritten weiter ziehen.

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      • Maxx 1. April 2017 / 14:36

        Na ja, aber Liberalismus ist ja wohl für die meisten oder zumindest viele BRD-Bewohner mittlerweile negativ konnotiert. Jahrzehntelange Gehirnwäsche hinterlässt auch da ihre Spuren – negative Auswirkungen wurden und werden immer gern einer vermeintlich liberalen Politik zugeschrieben. Das prägt. „Liberalismus“ ist (auch dank FDP usw.) wie ein rotes Tuch; was verbinden die Leute damit? „Neoliberale“, d.h. unsoziale Politik, „Liberalisierung“ = Privatisierung, d.h. mehr Macht für Konzerne, Kostensteigerungen, Oligarchie usw. So wird das in den Medien vermittelt.
        Liberalismus ist als Konzept in den Augen vieler ein negativ besetzter (Kampf-)begriff oder etwa nicht? Warum? Weil es ein je nach Sichtweise unterschiedlich interpretierbarer Begriff (essentially contested concept) ist, dessen Auslegung vom jeweiligen Standpunkt und der Deutungshoheit abhängt. Und wer ist im Besitz der Deutungshoheit? Staatsnahe Medien. Liberalismus hat keine Zugkraft, damit verbindet der verarmte deutsche Rentner, der Billiglöhner und die „kleine Krankenschwester“ (ein beliebtes SPD-Narrativ) hierzulande keine positive Erwartungen. Und wenn man zur Erklärung zu weit ausholen muss, da schalten die meisten Leute ab.
        Dazu kommen ja die ganzen Lagerkämpfe und Abgrenzungen bei den Liberalen.
        Ich glaub, wenn ich ehrlich bin, auch nicht, dass mehr „Liberalismus“ als postuliertes Konzept jetzt noch mehrheitsfähig ist und daher auch nicht mehr (oder noch nicht) als Antwort auf unsere drängenden aktuellen bzw. existenziellen Probleme im Land dienen kann. Gleichwohl seh ich mich grundsätzlich auch als Anhänger libertärer Ideen (im Sinne der österreichischen Schule). War mir lange Zeit sympathisch, aber ich bin auch Realist. Libertäre/liberale Ideen werden mit den westlichen Nationen untergehen.

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      • FDominicus 2. April 2017 / 9:34

        Nun Libertarismus ist ehere weniger bekannt. Nur wenn man die den Wortgepflogenheiten der Linken anschließt, haben Sie dann nicht gewonnen?

        Liberalismus bedeutet Schutz des Einzelnen. Und speziell auch Schutz vor staatlichen Übergriffen.

        Wie es aber geht kann man ja auch in den USA sehen liberals = sozialdemokraten. Das könnte man auch hier benutzen. Nur tut man denn den Liberalen ein Unrecht an. Sie waren nie „Neo“ und Sie waren nie für staatliche Eingriffe in jedes Leben. Wenn wir und nicht mehr liberal nennen, dann finde ich ist es Verrat an eben diesen Vordenkern.

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  3. Maxx 30. März 2017 / 15:56

    Das, was die Verdi-Verantwortlichen und nicht nur die, sondern auch die in den Amtskirchen, Schulen und anderen quasi staatsnahen Institutionen oder auch Konzernen zulassen und billigen, wenn nicht sogar befeuern, ist nach meinem Empfinden schlimmer als das, was die Stasi aktiv betrieben hat. Die Stasi hat sich im Inland eher auf einzelne Personen konzentriert, die man da als Feinde oder Dissidenten eingestuft hatte. Ansonsten haben die viel Papier produziert, Vorgänge, IM-Berichte, das meiste war belangloser Kram, der folgenlos blieb, aber dem Informationshunger und Misstrauen der Oberen geschuldet war.
    Jetzt versucht man aber offenbar, die ganze Zivilgesellschaft wirklich zu spalten, zu zersetzen, Arbeitskollegen, Vorgesetzte, Landsleute gegeneinander auszuspielen, Bekannte dazu anzustacheln, Einschüchterung, Ausgrenzung, Diffamierung, Diskreditierung, bis hin zur Vernichtung bürgerlicher Existenzen aller regierungskritischen Geister zu betreiben. Innere Unruhen sind eh nur noch eine Frage der Zeit. Bei der Stasi wusste man wenigstens, woran man ist. Na ja, Schild und Schwert der Partei, aber geschenkt. Bei der Arbeit, in der Seminargruppe, an der Schule, zu Hause sowieso, im Kreis der Familien und Freunde war man sich immer weitgehend einig in den grundlegenden Fragen. Und selbst wenn man sich den Mund verbrannte, einen (irgendeinen) Arbeitsplatz hatte man eben immer sicher, auch wenn man in gewissen Grenzen als Querulant galt. Jetzt halten die Leute ja schon ihr Maul, weil sie echt Angst um ihren Job, um ihr Zuhause, ihre ganze Existenz haben. Zu Recht, muss man sagen.
    Es gab in der DDR (jedenfalls nach meiner Erinnerung) nicht diesen Riss quer durch die Bevölkerung, so wie er sich jetzt auftut, diese Spaltung in immer kleinere Fraktionen und Interessengrüppchen. Das ist das, was lähmt, was schwächt, was resignieren lässt. Und die Polit-, Medien-, Kirchen- und Konzernbonzen lachen sich schlapp …
    Es gab damals quasi nur oben und unten, d.h. die SED-Bonzen, Funktionäre, ein paar Spitzel und Stasi-Leute – die meisten kannte man und wusste, dass man sich von denen besser fernhält, aber die Masse der „normalen“ Leute wusste sich im Grunde in einer (gepflegten) Ablehnung der Systembonzen einig. Die Partei war eh nur bessere Folklore. Im Privaten herrschte Einigkeit, keine vergiftete Atmosphäre wie jetzt, wo man schon bei Familienfeiern gewisse Themen ausspart bzw. gar nicht mehr drüber reden will.
    Existenzielle Fragen halt, auch was uns noch ausmacht, also was Land, Volk, Nation, Sprache angeht, die stellten sich damals nicht, jetzt aber in aller Schärfe.
    Fürchte aber fast, dass die schon entschieden sind, so wie Susanne Kablitz in ihrem allerletzten Blogeintrag schrieb: unrettbar verloren.
    Hinsichtlich der Qualität der Repressivität und der Art bzw. Macht wirtschaftlicher Zwänge, denen das Individuum unterworfen ist, unterscheidet sich die jetzige BRD natürlich von der DDR.
    Die heutigen Zustände mit denen in der DDR zu vergleichen, würde das heutige System verharmlosen, so schrieb mal Hadmut Danisch. 😉 (Das heißt, einige Leser schrieben ihm dies wohl als Reaktion auf einen Beitrag, und er zitierte das sinngemäß.)

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    • FDominicus 31. März 2017 / 5:21

      Ich werde das komplett so in mein Blog stellen. Wenn Sie das nicht mögen sagen Sie mir bitte Bescheid ich lösche es dann.

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      • Max 1. April 2017 / 14:44

        Kein Problem. Ich kann auch gern Ihr Blog verlinken, ich schau ja da sowieso öfter mal rein. 😉

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  4. Maxx 30. März 2017 / 17:09

    Der Hadmut Danisch, der sich wohl da im Laufe der Jahre ein paar einflussreiche Leute zu Feinden gemacht hat, den erledigt man z.B. sauber mit juristischen Mitteln, dazu braucht’s gar keine Stasi, nur einen aus Gebührengeldern bezahlten Anwalt und ein paar absurd konstruierte oder an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe wegen irgendwelcher Urheberrechts- oder Persönlichkeitsrechtsverstöße. Schon muss der jedesmal bei Gericht antanzen, bis er irgendwann pleite ist oder entnervt aufgibt. Ist effektiv und hochwirksam. Mediale Publicity bekommt er natürlich auch nicht, daher verpufft jeder Protest.

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    • FDominicus 31. März 2017 / 5:31

      Ich habe mich bei Herrn Danisch mit einer Spende beteiligt. Ich glaube nicht, daß es derzeit so in D durchgehen wird, ansonsten haben wir Blogger noch schlechtere Karten.

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